Der ursprüngliche Gedanke, Geist und Seele des Volkes zu bereichern, gelang im Ständetheater stets reichhaltig. Auf seiner Bühne traten Theaterpersönlichkeiten wie J. K. Tyl oder K. H. Mácha auf. Hier sahen die Zuschauer erstmals die neuzeitliche tschechische Oper Der Drahtbinder (1826) oder hörten das Lied, das später zur Nationalhymne wurde (1836).

Meilensteine des tschechischen Theaters

Eines der ältesten Theater in Europa eröffnete sein Programm im April 1783. Ursprünglich trug es zu Ehren seines Erbauers Franz Anton von Nostitz-Rieneck den Namen Gräflich Nostitzsches Theater. Diese aufklärerische Tat hatte für die Prager große Bedeutung und die Stadt reihte sich somit Ende des 18. Jahrhunderts zu den europäischen Metropolen, die mit neuen öffentlichen Theatern das kulturelle Niveau des Volkes förderten.

Die Szene des Ständetheaters spielte in Deutsch, gab aber gelegentlich und später auch regelmäßig Vorstellungen in Tschechisch. Es wurde in den explosiven Jahren zu einem einflussreichen politischen Werkzeug und nach dem Revolutionsjahr 1848 wurde gerade hier die Idee zum Bau eines tschechischen Nationaltheaters geboren. Seinen jetzigen Namen erhielt das Ständetheater 1798, als die böhmischen Stände es von Graf Nostitz abkauften. Nach dem Ende des I. Weltkriegs und der Gründung der Tschechoslowakei wurde das Ständetheater der Bühne des Nationaltheaters angegliedert mit einem Repertoire aus Schauspiel, Oper und Ballett. Während des Sozialismus nannte es sich Tyl-Theater.

Szene sowie Gebäude von der Muse geküsst

Der klassizistische Stil des Ständetheaters hat sich in fast ursprünglichem Zustand bis heute erhalten, was in Europa einzigartig ist. Das Interieur wird durch Säulen aus braunem Slivencer Marmor geschmückt, ein Teil des Fußbodens wiederum durch weißen Marmor. Die Kombination von Weiß und Gold wurde in der ursprünglichen Gestaltung durch rote Elemente ergänzt. Seit der umfangreichen Rekonstruktion in den 90-er Jahren des 20. Jh. wird die rote Farbe allerdings durch vorherrschendes Blau ersetzt.

Hoch oben über dem Eingang zum Ständetheater können Sie in goldenen Lettern den Schriftzug Patriae et Musis – Für Vaterland und Musen lesen. Auf die Musen verweist auch das für den Vorhang entworfene Ölgemälde – die Szene einer Versammlung der Musen und griechischen Götter auf dem Olymp.

Unter Mozarts Taktstock

Die Prager und ihr Ständetheater liebte seinerzeit auch Wolfgang Amadeus Mozart. Nachdem die Oper Figaros Hochzeit in Wien durchfiel, wurde ihm in Prag ein herzlicher Empfang zuteil. Im Ständetheater führte er anschließend auch die Premiere seiner weiteren Oper Don Giovanni auf, die er 1878 selbst dirigierte. Im Oscar prämierten Film Amadeus des Regisseurs Miloš Forman sind gerade die Kulissen des Ständetheaters zu sehen. Lediglich eines der heute aktiven Theater kann sich einer Bühne rühmen, auf der einst der geniale Mozart lang andauernden Applaus entgegennahm, und zwar das Prager Ständetheater.

Wo entlang zum Ständetheater?

Das Ständetheater befindet sich auf dem Obstmarkt in Prag 1, inmitten des fiktiven, von Wenzelsplatz, Altstädter Ring und Platz der Republik gebildeten Dreiecks. Auf alle drei Plätze gelangen Sie einfach mit der Metro. Zum Ständetheater gelangen Sie dann zu Fuß durch die Straße Celetná (vom Altstädter Ring und vom Platz der Republik aus) oder durch die Passage Myslbek von der Straße Na Příkopě aus (aus Richtung des Wenzelsplatzes). Romantische Gemüter können sich auch von der Karlsbrücke aus auf den Weg zum Obstmarkt machen – ein hübscher Spaziergang durch die verwinkelten Gässchen der Altstadt.